Was ist unterstützte Selbsthilfe?

von Menschen mit Gedächtnisproblemen

Auch zum Themenfeld “kognitive Beeinträchtigungen” (Gedächtnisprobleme, Demenz…) existieren in den deutschsprachigen Ländern viele Selbsthilfegruppen.

Jedoch handelt es sich hierbei fast immer um Gruppen, in denen sich pflegende Angehörige zusammengeschlossen haben und sich gegenseitig unterstützen. Gruppen, in denen tatsächlich von Vergesslichkeit und anderen kognitiven Beeinträchtigungen betroffene Menschen  sich einen geschützten Raum schaffen, um mit Gleichbetroffenen in den Austausch zu treten und ihre Situation zu bewältigen lernen, gibt es bisher immer noch wenige. Doch dort, wo es sie gibt, demonstrieren sie überzeugend ihre durch keine Form professioneller Hilfe zu ersetzende Bedeutung und Wirksamkeit für Menschen mit Vergesslichkeit.

Im Jahr 2011 kamen in Frankfurt am Main Mitglieder (“Demenzbetroffene”) und ModeratorInnen der wenigen zu dieser Zeit existierenden Selbsthilfegruppen für diesen Personenkreis zusammen, um auf der Basis von Praxiserfahrungen das Konzept der unterstützten Selbsthilfe zu formulieren. Dieses Konzept wurde nachfolgend sowohl in Deutschland, als auch in Österreich und in der Schweiz positiv aufgenommen und führte zur Initiierung neuer unterstützter Selbsthilfegruppen.

In den genannten und in weiteren Ländern existieren auch andere Gruppenkonzepte und –angebote für Menschen mit Gedächtnisproblemen (z.B. edukative, therapeutische, Betreuungs- oder Freizeitorientierte). Diese mögen den Bedarf spezieller Personen treffen, stellen meist jedoch keine SELBSTHILFEgruppen dar.  

Das Konzept unterstützter Selbsthilfe entspricht jedoch dem klassischen Selbsthilfeverständnis, berücksichtigt dabei aber den spezifischen Unterstützungsbedarf, der aus kognitiven Einschränkungen resultiert.

 

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Unterstützte Selbsthilfe - In der Gruppe stark

Selbsthilfe und Demenz: Da denken in der Regel alle gleich an Angehörigengruppen. Was ist aber mit Selbsthilfegruppen von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen? Gibt es so etwas denn überhaupt? Ja, es gibt solche Gruppen!

Alle Menschen wollen ihre Angelegenheiten frei und ohne Einmischung von anderen regeln und selbst bestimmen, wie sie ihr Leben gestalten. Daran ändern auch kognitive Einschränkungen nichts. In der Regel wird Personen mit Vergesslichkeit die Fähigkeit, selbstbestimmt zu entscheiden und zu handeln, abgesprochen. Jedoch verliert kein Mensch jemals sein Selbstbestimmungsrecht. Fast alle Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung verfügen auch über eine Selbstbestimmungskompetenz.<br><br> Diese kann sich graduell von ‚sehr hoch‘ über ‚eingeschränkt‘ bis hin zu ‚wenig‘ entwickeln, ist jedoch stets gegeben. <br><br>Das Recht auf Selbstbestimmung muss auch im Falle einer kognitiven Einschränkung stets verteidigt und seine Ausübung ermöglicht werden!

In unterstützten Selbsthilfegruppen können Menschen mit Vergesslichkeit und anderen kognitiven Beeinträchtigungen sich mit Gleichbetroffenen mit ihrer Situation auseinandersetzen. Sie lernen, die Veränderungen anzunehmen, Mut zu fassen und beschädigtes Selbstwertgefühl zu stärken und neu aufzubauen. Das ist in vielen Fällen die Basis für einen offensiven Umgang mit der Beeinträchtigung und ein Hinausgehen in die engere oder weitere Öffentlichkeit. Gestärkt durch die Gruppe trauen sich betroffene Menschen immer öfter in eigener Sache zu sprechen und sich als Experten ihrer Lebenssituation für ihre Interessen selbst einzusetzen. <br>Damit werden sie zum Träger eines dringend erforderlichen Bewusstseinswandels. Menschen mit Vergesslichkeit erfahren sich als kompetente und selbstbestimmt handelnde Personen. Andere Personen können sie so wahrnehmen und überholte Defizitbilder abbauen.

Kriterien einer unterstützten Selbsthilfegruppe

Zielgruppe

Das Angebot richtet sich an Personen mit Vergesslichkeit (oder: Gedächtnisproblemen, kognitiven Einschränkungen, Demenz), die ihre Situation anerkennen und sich mit Gleichbetroffenen mit ihrer Situation auseinandersetzen wollen.

Selbsthilfepotenzial

Menschen mit Vergesslichkeit verfügen über Selbsthilfepotenzial – auch wenn sich das viele Nichtbetroffene nicht vorstellen können.

Gesprächsgruppe

Eine unterstützte Selbsthilfegruppe ist primär eine Gesprächsgruppe, in der sich ausschließlich Menschen mit Gedächtnisproblemen austauschen.  

Selbstbestimmung​

Selbsthilfe ist keine Fremdhilfe. Die ‚Betroffenen‘ bestimmen über die Themen. 

Unterstützung durch Assistenz​

Nichtbetroffene (die UnterstützerInnen oder ModeratorInnen) sind ‚Dienstleister’ und Assistenz der Gruppenmitglieder. Sie gewährleisten einen geschützten Rahmen. 

Freiwillige Teilnahme

Die Teilnahme an einer unterstützten Selbsthilfegruppe kann immer nur freiwillig erfolgen.